Weißer Spargel an Blätterrisotto

Alle ohne genuin deutschem Kulturhintergrund, die sich das erste Mal dem Spargelwahnsinn ausgesetzt sehen, der alljährlich dieses Land zu erfassen scheint, fügen spätestens im April Spargel zu ihrer Liste der Dinge hinzu, bei denen man den Deutschen lieber nicht widersprechen beziehungsweise im Weg stehen sollte. (Die Liste fängt wahrscheinlich mit “Tatort” an und hört zumindest in München mit einem gegrantelten “Rechts stehen, links gehen” auf.)

The awning of the cage of asparagus
Quelle: Bunchacunce

Da blockieren Gemüsehändler den Fahrradweg mit Paletten weißer Spargelstangen, Azubis im Supermarkt überkleben nachts die Rieslingetiketten mit irgendwas, das sich nach “Weinbegleitung zu Spargel” anhört, Freundschaften zerbrechen angesichts der Frage, ob dicke den dünnen Spargelstangen vorzuziehen sind und bei der Tagesschau kommen Spargelbauern zu Wort, die, wie jedes Jahr, die miserable Wetterlage bedauern, die – achach – zu einer Preissteigung führt. Als ob das der German Spargellust Abbruch tun würde; wir jammern und motzen und rennen dann trotzdem zum Viktualienmarkt. Man könnte sagen: Frühling ist ein bisschen Schlaaaand in spargelweiß statt schwarzrotgold.

Ja nu. Ich bin Deutsche, auch ich werde in dieser Jahreszeit ein wenig verschroben, wenn du mir als Münchnerin den Spar(gel)witz erlaubst, und google Satellitenaufnahmen live vom Spargelfeld. Nur: Muss es denn der Spargel in seiner ewigen Dreifaltigkeit sein? Spargel, Kartoffeln und Sauce Hollandaise geht natürlich immer, das ist wie Pommes rot-weiß, aber kulinarisches Feuerwerk geht irgendwie anders. Das Höchste der Gefühle ist da noch die Spargelsuppe (meh) oder der Spargelsalat (möp). Die Welt braucht neue Spargelrezepte! Wie gut, dass Maurice Maggi mich da auf eine Idee gebracht hat. Risotto hört sich für den ein oder anderen vielleicht etwas ungewohnt an zum Spargel, die zwei verstehen sich aber ziemlich gut. Hier also mal die frühlingsgrüne Wildwuchs-Alternative zur blass-gelben Spargel-Kartoffel-Hollandaise-Schnarchigkeit. Besser lässt sich der Frühling gar nicht zelebrieren!

Na, wer hat im Heimat- und Sachkundeunterricht aufgepasst?

Ganz toll, wirst du jetzt vielleicht sagen, da muss man sich als Veganer oder Vegetarier nicht eh schon triezen lassen von der feisten Weißwurscht-Connection (“Graslutscher! Blätterfresser!”) und dann fordert der Wildwuchs-Hipster auch noch fröhlich zum Verköstigen von Baumblättern auf.

Ja, stimmt, dieses Rezept klingt wie die wahr gewordene Veganer-Beleidigung, aber wenn du dieses Risotto nicht zumindest einmal probierst, verpasst du etwas. Und wenn du ehrlich bist, sprießen Linden-, Buchen- und Ahornblätter gerade so saftig hellgrün in den Himmel, da möchte man doch eh am Liebsten einmal beherzt hineinbeißen. Kannste haben! Die zarten, jungen Blättchen von Linde, Buche und Ahorn sind ein überraschend feiner Genuss. Lindenblätter schmecken mild-nussig, Ahornblätter frisch-säuerlich und Buchenblätter ein wenig herb. Zusammen mit einem kräftigen Risotto, das sich quasi von selber kocht, ergibt das ein richtig tolles Gericht, das sowohl die Kochschinkenfraktion als auch deine ausländischen, spargelskeptischen Freunde überzeugen wird.

Kulinarische Herausforderung Risottokochen? Firlefanz, machste schlafend im Handstand.

Für 2 baumumarmende Personen

  • 1/2 Zwiebel
  • 150 g Risottoreis
  • etwas Butter
  • 3 bis 4 Radieschen
  • 1 Schwupps Weißwein
  • 1 Lorbeerblatt
  • 1 Thymianzweig
  • 500 ml heiße Gemüsebrühe
  • 500 g Spargel
  • 1 TL Zucker
  • 2 Handvoll junge, zarte Linden-, Ahorn- und Buchenblätter
  • 50 g Blauschimmelkäse
  • 2 EL Mandelblättchen (alternativ Walnüsse)
  • etwas Sonnenblumenöl
  • Cayennepfeffer
  • Puderzucker

So geht's

Spargelstangen gründlich schälen. (Die Schalen nicht wegwerfen, diese lassen sich für eine Spargelsuppe weiterverwenden!) Vom Thymian die Blätter abzupfen, Stengel beiseitelegen. Radieschen in feine Scheiben schneiden. Zwiebel fein hacken.

Einen großen flachen Topf oder Bräter mit eben so viel Salzwasser füllen, dass die Spargelstangen später gerade bedeckt sind. 1 TL Zucker und ein kleines Stück Butter zugeben und zum Kochen bringen.

Inzwischen die Zwiebel mit Butter in einem großen Topf andünsten. Reis und Radieschen zugeben und kurz mitdünsten. Alles mit Weißwein ablöschen. Lorbeerblatt, Thymianblättchen und -stengel hinzufügen. Nach und nach die Gemüsebrühe zum Risotto hinzufügen und den Risottreis auf niedriger Temperatur sämig weich kochen. Ab und zu umrühren.

Sobald das Wasser kocht, Spargelstangen in den Topf oder Bräter geben und zugedeckt bei geringer Hitze weich kochen. Je nach Dicke der Spargelstangen dauert das etwa 15 bis 20 Minuten. Zur Garprobe einen Spargel mit der Gabel herausfischen; biegt er sich elastisch über der Gabel, ist er durch. (Knickt die Spargelstange, ist sie bereits zu weich gekocht!)

Inzwischen Mandelblättchen mit wenig Sonnenblumenöl in einer Pfanne rösten. Mit Salz, Cayennepfeffer und etwas Puderzucker bestreuen und karamellisieren lassen.

Lorbeerblatt und Thymianstengel aus dem Risotto entfernen. Den in Stücke gebrochenen Käse und die Baumblätter zugeben und umrühren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Zusammen mit dem Spargel anrichten, mit den Mandelblättchen garnieren und servieren.

Weißer Spargel und Risotto mit Baumblättern

Und danach dann Tatort, oder?

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